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Wie viel ÖKO ist in Ökogas?

19. Juni 2017
Trotz der steigenden Energiepreise modernisieren viele Haushalte ihre Wärmegewinnung mit Erdgas. Und wie beim Strom auch, gibt es immer mehr sogenannte „Öko-Gas-Angebote“. Doch wie viel ÖKO ist denn wirklich in Ökogas enthalten? Und ab wann darf ein Anbieter sein Öko-Gas auch Öko-Gas nennen? Um hier mehr Licht ins Dunkel zu bringen, habe ich mich mit Polarstern in Verbindung gesetzt und nachgefragt.

Anna, als ich umzog stand ich zum ersten Mal vor dem Thema „Gasanbieter“ und staunte nicht schlecht über die vielen Angebote, die man im Netz findet. Für mich war klar, dass ich mein Gas von einem echten Ökoenergieversorger beziehen will. Schon aus dem Grund, weil die Echten, wirklich in die Erneuerbaren investieren und uns Verbrauchern kein X für ein U vormachen. Von allen Ökoenergieversorgern seid ihr einer der wenigen, die 100 % Ökogas anbieten. Wie macht ihr das?

Die Grundlage von unserem Ökogas sind Zuckerrübenschnitzel, die bei der Zuckerproduktion als Abfall anfallen. Aus ihnen wird in einer Biogasanlage direkt vor Ort Gas erzeugt. Nach Deutschland gelangt das erzeugte Biogas durch ein Handelssystem wie es bereits im Strommarkt etabliert ist. Dabei garantiert Polarstern - zertifiziert vom TÜV Nord - dass in der Höhe des Gasverbrauchs der Polarstern-Kunden Biogas erzeugt wurde und fossiles Erdgas verdrängt hat. Insgesamt kann durch diesen Weg ein 100 Prozent Ökogasprodukt angeboten werden, dass im Schnitt nur vier Prozent teurer ist als der örtliche fossile Grundversorgertarif. Und im Vergleich beispielsweise zu den 100 Prozenttarifen etwa von Naturstrom oder von den Elektrizitätswerken Schönau (EWS) sind wir sogar rund ein Drittel günstiger, das sind mehrere hundert Euro im Jahr. Insgesamt gibt es nur eine Handvoll Angebote mit 100 Prozent Ökogas, der Rest sind Beimischprodukte oder Klimaprodukte, bei denen die durch die fossile Erdgaslieferung ausgestoßenen CO2-Emissionen kompensiert werden sollen. Eine Energiewende unterstützen letztere damit nicht.

Kann, selbst wenn ein Großteil seines Gases aus Fracking gewonnen wird, das auch als Ökogas betitelt werden. Wie sehen hier die gesetzlichen Vorgaben aus? Ab wann darf sich Öko auch Öko nennen?

Ökogas bzw. Biogas werden in der Regel Produkte genannt, die entweder mindestens 5 Prozent Biogasanteil haben oder die als Klimaprodukte die CO2-Emissionen auf anderen Wegen zu kompensieren versuchen. Eine klare Regelung, wie viel Biogas in einem so betitelten Produkt enthalten sein muss, gibt es nicht. Allein das ist schon fragwürdig. Schließlich gehen Haushalte doch davon aus, dass ein Ökogastarif – genauso wie es im Ökostrommarkt der Fall ist – immer 100 Prozent Ökogas enthält. Doch genau das stimmt eben hier im Ökogasmarkt nicht.

Ob der restliche Anteil des Öko-/Biogastarifs dann aus Fracking-Gas besteht, das kann man nicht sagen. So eine Aufschlüsselung machen die Anbieter nicht. Allgemein geben auch leider kaum Anbieter ihre Lieferquellen bekannt. Mehrheitlich spielt Fracking-Gas bei Gastarifen in Deutschland sicher (noch) keine große Rolle. Denn Fracking ist auch bei unseren Haupt-Importquellen von Erdgas noch nicht so weit fortgeschritten ist wie es zum Beispiel in den USA der Fall ist. Aber egal, ob fossiles Gas per Fracking gewonnen wird oder auf eine andere Art, es ist definitiv fossiles Erdgas und damit ein Raubbau an unseren endlichen Ressourcen. Das muss nicht sein.

Auf dem Strom-Markt haben wir zurzeit viel Bewegung. In den letzten Jahren haben sich viele Bürgervereinigungen gegründet, die echten Ökostrom anbieten, so wie ihr auch. Aus den einstigen vier echten Ökostromern sind einige mehr geworden. Die fünf größten Anbieter investieren weiter in den Ausbau der Erneuerbaren. Wie ist das beim Gas? Habt ihr dort das gleiche Prinzip? Investitionen in den Ausbau eurer Ökogasanlagen?

Auch beim Gas investieren wir für jede verbrauchte Kilowattstunde in den Ausbau von Ökogaskraftwerken. Es sind genauer gesagt 0,25 Cent. Daneben unterstützen wir in Entwicklungsländern, derzeit in Kambodscha, Familien bei ihrem Umstieg auf erneuerbare Energien. Auch sie nutzen durch uns dann Biogas - allerdings aus eigener Erzeugung mittels Mikro-Biogasanlagen. Beim Bau dieser Anlagen unterstützen wir die Familien mit unseren Kunden durch eine Startfinanzierung und bei der Betreuung über unseren Projektpartner NBP, National Biodigester Programme.

Viele Anbieter haben einen Öko-Gas-Mix. D. H. ein Teil ist Gas, das nachhaltig gewonnen wird, der weitere Teil wird konventionell gewonnen. Ein großes Thema bei der Erdgasgewinnung ist Fracking. Hierbei werden Chemikalien in den Boden gepumpt, um somit aus den Erdschichten das Erdgas zu lösen und zu gewinnen. Eine Technologie mit fatalen Folgen, wie sich immer wieder herausstellt. Wenn man Ökogas bezieht, was nur anteilig wirklich Ökogas ist, dann ist doch die Wahrscheinlichkeit groß, dass der andere Anteil aus konventioneller Erdgasförderung - sprich Fracking gewonnen wird, oder?

Kommerzielles Fracking ist in Deutschland nicht erlaubt - das wurde erst im Sommer 2016 beschlossen. In Deutschland war Exxon Mobile bzw. ist einer der Treiber hinter der Fracking-Technik. Aber nur, weil es jetzt in Deutschland verboten ist, heißt das nicht, dass kein Fracking-Gas hier an die Kunden gelangt. Schließlich werden lediglich rund sieben Prozent des verbrauchten Erdgases in Deutschland gefördert, und das mit sinkender Tendenz. Das Erdgas der deutschen Haushalte kommt vor allem aus Russland, aber auch aus den Niederlanden und aus Norwegen. Russland verstärkt beispielsweise seine Frackingaktivitäten, während die Niederlande seit 2015 ihre Fracking-Aktivitäten erst einmal ruhen lassen. Norwegen selbst hat kaum Schiefergas-Vorkommen.

Macht es hier nicht mehr Sinn, dass insbesondere Eigenheimbesitzer auf andere Technologien setzen, die wesentlich umweltfreundlicher sind? Wie z. B. Erdwärme oder Wärmepumpe?

Sich bei der eigenen Energieversorgung unabhängiger zu machen, das ist auf jeden Fall sinnvoll. Wer eine Erdgas- oder Erdöl-Brennwerttherme durch solare Energieerzeugung unterstützt, der reduziert seine CO2-Emissionen deutlich und spart noch dabei. Wird beispielsweise ein alter Gaskessel durch eine neue Erdgas-Brennwerttherme getauscht und mit einer Solarthermieanlage für die Erzeugung von Warmwasser und zur Heizungsunterstützung ergänzt, dann können rund 40 Prozent Energiekosten und 44 Prozent weniger CO2-Emissionen gespart werden. Und mit dem Bezug von 100 Prozent Öko-/Biogas ist ein Haushalt beim Heizen sogar fast komplett CO2-neutral.

Die effizienteste Wärmetechnik derzeit ist die Wärmepumpe. Luft-Wasser-Wärmepumpen gewinnen bis zu 80 Prozent der benötigten Energie kostenlos aus der Luft. Die restlichen 20 Prozent werden nicht mit Gas oder Öl, sondern mit Strom erzeugt. Damit eine Wärmepumpe umwelt-/klimafreundlich läuft, ist der Bezug von Ökostrom wichtig. Schließlich verdoppeln Wärmepumpen in einem Einfamilienhaus schnell den Stromverbrauch.

Ökoenergieversorger wie Polarstern haben eigene Wärmepumpentarife, um umweltfreundliche und preiswert die Wärmepumpen mit Ökostrom zu versorgen. Mit dem Wärmepumpenhersteller Panasonic hat Polarstern einen eigenen Tarif, gültig für Haushalte mit Panasonic Wärmepumpen.

Anmerkung:
Um sich bei der Stromversorgung unabhängiger zu machen, gibt es immer mehr Komplettpakete mit Solaranlage, Stromspeicher und Reststromlieferung, falls selbst mal nicht genug Strom erzeugt und gespeichert wurde. Damit wird die eigene Stromerzeugung zum Kinderspiel. Bei Polarstern heißt das Wirklich Eigenstrom. Dabei sind Haushalte in der Wahl der Anlagentechnik herstellerunabhängig.

Vielen Dank, liebe Anna und dem Team von Polarstern für das ausführliche Interview.

Quellennachweis: Bilder @ Polarstern


 

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